aus unserer Schatzkiste

Zaum g'wochsn

Von Meiner - Ihrer - Unserer - Haube

Erzählt von Karin Rammer                    

 

Eigentlich waren wir Mädels auf der Suche nach einem gemütlichen Verein. Ohne politischen Hintergrund, es sollte egal sein ob Bäuerin, Hausfrau oder Angestellte… Wir wollten einen Verein, der keine riesigen Zeltfeste organisiert, sondern eher gemütliche und überschaubare Events veranstaltet. Eine Gemeinschaft aus der man auch nicht rauswächst bzw. zu alt wird. 

Ich hab die perfekte Lösung gefunden - unsere Goldhaubengruppe!!! 

 

Und es war schon immer klar: Herta wird unsere Obfrau! (Achte auf deine Gedanken , sie werden zu deinen Worten. Achte auf deine Worte sie werden zu deinen Taten). Erst natürlich nur im Scherz, schon zu ihrem 30-er bekam sie von uns eine „Goldhaube“ und eine Strumpfhose mit „Krampfadern“.

 

Nachdem wir lange genug darüber gewitzelt hatten, machten wir Nägel mit Köpfen. 

Obfrau Elisabeth Spaller organisierte ein Treffen mit der Stickkursleiterin Grete Hammel. Es wurde ernst. Ich begann an meinen Fähigkeiten Geschick und Geduld zu zweifeln. Mein Mann meinte, ich sollte mir eine Goldhaube kaufen. In der Senioren Zeitung waren akkurat viele Annoncen zu finden. Als ich meinen Freundinnen meine Absicht kund tat, wollten mich natürlich alle überreden doch selber zu sticken. Besonders in Erinnerung ist mir das Argument von Elisabeth Spaller geblieben: „Geh du mußt doch mit so aner Haubn zaum wochsen…“ 

 

Ich lies mich breit schlagen… bei solchen Argumenten was will man da dagegen halten!? 

Ich setzte mir das Ziel: "bis zu mein 40-er bin i fertig". Ach, wie schnell die Zeit vergeht. Der erste Winter war schnell vorbei und mein Stickrahmen noch ziemlich leer. Im Frühling und Sommer war an Sticken nicht zu denken. Im Herbst beginnt die Jagdsaison… ich empfand die Gesellschaft meiner Jagdkollegen wohl anregender als allein daheim zu sticken. Irgendwann bekam Barbara Wind von meiner Aktivität und bot mir Hilfe an. Ich erinnere mich ziemlich genau an den Wortlaut „Mah du stickst da a Goldhaubn, mah i dua des sooo gern, derf i da helfen!“ Juhu Rettung naht … dachte ich mir (Wer macht so was freiwillig?). Barbara bekam meinen Stickrahmen, und natürlich das ganze “ Kleinzeug“. Als ich einige Zeit später “Mein Ihr Unser“ Werk wieder in meinen Händen hielt, befanden sich 20 wunderschöne Rosetten mehr auf meinen Rahmen. 

 

Jetzt schaute des Ganze nicht mehr so armselig aus und ein neuerlicher Motivationsschub spornte mich zu Höchstleistungen an. Wieder war die Sticksaison (Winter) zu Ende. Meine Freundinnen hatten ihre Perlhauben fertig und warteten nur noch auf mich. Keine wollte mit gehen bevor ich nicht auch fertig war. Das nenne ich Solidarität.

 

Wieder Sommer… Diesmal hatte Herta (meine Lieblings Obfrau in spe) Mitleid mit mir. Sie war wohl neugierig auf die Arbeit an einer goldenen Haube. Selber hat sie in Windeseile eine schwarze gestickt. 

 

Ich muss auch erwähnen, dass ich versucht habe, diese Stickdienste mit Naturalien zu begleichen. Das steht aber irgendwie in keiner Relation. Ich weiß nicht, ob man diese Arbeit in Putenfleisch, Christbäumen und Fuchsbälgen aufwiegen kann? 

 

Der letzte Winter vor meinem 40-sten Geburtstag zog ins Land. Panik!! Herta nähte schon an ihrem Kleid und ich noch an meinen 21 Knaufteilen (jeder der das schon mal gemacht hat, weiß was das bedeutet!!!). Aller feinste Fuzzel-Arbeit. Meine 4 Jungs waren Gott sei Dank größer und vernünftiger geworden. So konnte ich gelegentlich auch mal Sonntag nachmittags sticken und musste nicht immer am Abend werkeln. 

 

Ich schickte meinen Mann allein los zum Entenjagen. Bevor er allerdings das Haus verlassen durfte, musste er mir mindestens fünf Perlnadeln fädeln (er konnte das viel besser und schneller als ich). Er war auch viel geschickter im Lochen dieser wunderschönen, fuzzi kleinen Folienplättchen (man muss Männer immer viel loben und sich manch mal etwas ungeschickt anstellen…). So hat auch mein Mann zum Gesamtkunstwerk „Karins Goldhaube“ beigetragen. 

 

Im Jänner 2014 fuhren wir Mädels gemeinsam nach Gutau um das Projekt Goldhaubenkleid zu starten. Jetzt hatte ich zwei Baustellen neben einander! Rita Netzberger, unsere Schneiderin, bat uns im Mai bei ihrer Modeschau unsere Kleider und Hauben vor zu führen. Keine Ahnung wie, aber wir haben es geschafft! Einige Tage vor unserem großen Auftritt hielt ich meine fertige Goldhaube in Händen. Ich durfte sie in Gretes Wintergarten das erste mal aufsetzen, was für ein unsagbar großartiger denkwürdiger Moment. 

 

Und immer noch überkommt mich dieses wunderbare Gefühl wenn ich meine „Gemeinschaftsprojekt-Goldhaube“ aus ihrer Schachtel hole. Ja, mit der Haubn bin i richtig zaum gwochsen…und wia!